(2637) Geschlechterdiskriminierung
Der Fall Im November 2019 bestellte eine nichtbinäre Person (eine Person, die ihr Geschlecht nicht dem Begriff Frau oder Mann zuordnet, Red.) via Internetseite eines Online-Händlers Kleidung. Dabei war eine Auswahl zwischen den Anreden „Herr“ oder „Frau“ notwendig. Die nichtbinäre Person bestätigte den Kauf und wurde in einer E-Mail als „Herr“ betitelt. Nachfolgend machte die Person gegenüber dem Online-Händler einen Unterlassungsanspruch geltend und verlangte wegen der Diskriminierung ihres Geschlechts Zahlung einer Entschädigung in Höhe von 2.500 €. Der Online-Händler wies zwar die Ansprüche zurück, änderte aber umgehend die Auswahlmöglichkeit der Anrede so, dass neben „Herr“ und „Frau“ auch „Divers/keine Anrede“ möglich war. Die nichtbinäre Person erhob schließlich Klage. Das Landgericht Mannheim wies die Klage ab. Dagegen richtete sich die Berufung der nichtbinären Person.
Urteil 2. Instanz Das OLG Karlsruhe bestätigte die Entscheidung des Landgerichts, bejahte aber das Vorliegen einer Geschlechterdiskriminierung. Es liege eine Verletzung des Persönlichkeitsrechts in seiner Ausprägung als Schutz der geschlechtlichen Identität vor. Zwar sei die klagende Person nicht vom Kauf ausgegrenzt worden und habe die Ware zu denselben Bedingungen erworben wie jeder andere Kaufwillige auch. Die klagende Person habe aber den Kaufvorgang nicht abschließen können, ohne im dafür vorgesehenen Feld eine falsche Angabe zu machen, die der eigenen Geschlechtsidentität nicht entspreche. Zudem sei zu beachten, dass durch die eingeschränkte Anredeauswahl nichtbinäre Personen möglicherweise vom Online-Kauf abgehalten werden.
Nach Auffassung des Oberlandesgerichts bestehe kein Anspruch auf Unterlassung, da es wegen der Änderung der Anredemöglichkeiten an der Wiederholungsgefahr fehle. Schließlich verneinte das OLG auch einen Anspruch auf Entschädigung. Die Beschränkung der Auswahlmöglichkeit der Anrede sowie die erfolgte geschlechtsbezogene Anrede der klagenden Person seien nicht derart schwerwiegend, dass sie nur durch Zahlung einer Geldentschädigung befriedigend aufgefangen werden können. Es sei zu beachten, dass die Diskriminierung nur im privaten Bereich und nicht in der Öffentlichkeit vorgenommen wurde. Zudem sei das Verschulden der Beklagten gering. Sie habe nach dem ersten Anschreiben der klagenden Person ihr Anliegen durch Änderung des Internetauftritts Rechnung tragen wollen.
Quellen: OLG Karlsruhe,
Urteil vom 14.12.2021, © urteile.news (ra-online GmbH),
Berlin 17.01.2025; Textbearbeitung GLH
Anmerkung der Redaktion – Bietet eine Fahrschule via Internet den Abschluss eines Ausbildungsvertrages an oder bittet sie um eine sonstige Rückmeldung mittels eines von ihr verfassten Formulars, sollte sie zur Auswahl die Anredeformen „Frau, Herr, Divers, keine Anrede“ verwenden.