15.12.2017

(2406) Ist Kolonnenspringen verboten?

© FahrSchulPraxis - veröffentlicht in Ausgabe Dezember/2017

Der Fall Das Oberlandesgericht (OLG) München hatte sich zweitinstanzlich mit einem Fall des sog. Kolonnenspringens zu befassen, bei dem es zum Unfall gekommen war. Fahrer Alfred K. (Name fiktiv, Red.) überholte auf einer Landstraße, auf der 100 km/h erlaubt sind, aus einer hinteren Position heraus die mit 80 km/h fahrende Kolonne. Plötzlich scherte die in zweiter Position der Kolonne fahrende Berta M. (Name fiktiv) dicht vor Alfred aus, um das an der Spitze fahrende Fahrzeug zu überholen. Alfreds Fahrzeug kollidierte mit dem von Berta. Es entstand hoher Sachschaden. In der Folge stritten sich die Parteien um die Haftungsteilung, weshalb die Auseinandersetzung beim Landgericht (LG) Deggendorf  anhängig wurde. Das LG entschied sich für eine Haftungsteilung 60:40 zu Lasten von Berta. Dagegen legte Alfred Berufung beim OLG ein. Sein Standpunkt war: Eine Haftungsteilung sei nicht gerechtfertigt, denn Berta trage durch ihr plötzliches Ausscheren die Alleinschuld an dem Unfall.

Das Urteil Das OLG stellte zunächst fest, dass bei ausreichend übersehbarer Strecke und keinem nahenden Gegenverkehr das sog. Kolonnenspringen nicht grundsätzlich verboten ist. Im vorliegenden Fall habe es sich für Alfred so dargestellt: Die Verkehrslage sei nicht unklar gewesen. Alfred sei entgegen den Ausführungen im Ersturteil kein Verschulden nachgewiesen worden. Berta hingegen habe durch ihr plötzliches Ausscheren gegen das Gebot des § 5 Absatz 4 Satz 1 StVO verstoßen, nämlich sich beim Überholen so zu verhalten, dass eine Gefährdung des nachfolgenden Verkehrs ausgeschlossen ist. Aus diesen Gründen sei weder eine Haftungsteilung 60:40 noch eine Alleinhaftung, wie sie der Kläger Alfred verlange, angemessen. Richtig sei vielmehr, die von dem die Kolonne überholenden Fahrzeug ausgehende Betriebsgefahr mit 20 Prozent zu bemessen. Zwar habe Alfred gegen keine Norm verstoßen, sich jedoch auch nicht wie ein ,,Idealfahrer" verhalten. Die Haftungsteilung werde deshalb auf 80:20 zu Lasten von Berta festgesetzt. 

Oberlandesgericht München
Urteil vom 24.02.2017
AZ 10 U 4448/16

Quelle: D.A.S./GLH