15.12.2017

(2407) Bedeutet Nicht-Inanspruchnahme der Kaskoversicherung Verletzungen der Schadenminderungspflicht?

© FahrSchulPraxis - veröffentlicht in Ausgabe Dezember/2017

Der Fall Fahrerin Ingeborg D. (Name fiktiv) war an einem Verkehrsunfall beteiligt, bei dem ihr Pkw erheblich beschädigt wurde. Der Unfallgegner trug die Alleinschuld am Unfall. Das war von Anfang an unstrittig. Ingeborg meldete den Unfall sofort der Versicherung des Gegners und machte deutlich, dass sie bis zum Abschluss der Reparatur ihres Autos einen Mietwagen in Anspruch nehmen werde. Die gegnerische Versicherung hüllte sich in Schweigen. In der Folge wies Ingeborg in Telefonaten und mit E-Mails die gegnerische Versicherung mehrfach darauf hin, dass sie finanziell nicht in der Lage sei, die Reparaturkosten vorzustrecken. Einzige Reaktion der Versicherung war: Ihr Versicherungsnehmer habe den Unfall noch nicht gemeldet, weshalb die Schuldfrage noch unklar sei. Weil Ingeborg die Reparaturkosten nicht bezahlen konnte und somit das Fahrzeug in der Werkstatt blieb, musste sie während 65 Tagen den Mietwagen benutzen. Die gegnerische Versicherung weigerte sich, die Kosten dafür zu übernehmen und führte dafür folgende Begründungen ins Feld: Die Reparatur habe nur neun Tage in Anspruch genommen. Um das Auto von der Werkstatt ausgehändigt zu bekommen, hätte sie entweder einen Kredit aufnehmen oder ihre Vollkaskoversicherung in Anspruch nehmen müssen. Weil sie weder das eine noch das andere getan habe, sei sie ihrer Schadenminderungspflicht nicht nachgekommen. Der Rechtsstreit landete schließlich vor dem 9. Senat des Oberlandesgerichts (OLG) Naumburg.

Das Urteil Unter Beiziehung anderer obergerichtlicher Urteile, namentlich auch eines Urteils des BGH, entschied das OLG vollumfänglich zu Gunsten von Ingeborg. Zur Begründung führte das Gericht an, bei der angespannten finanziellen Lage der Geschädigten sei dieser nicht zuzumuten gewesen, einen Kredit aufzunehmen. Zum anderen sei Sinn und Zweck der Kaskoversicherung gerade nicht die Entlastung des Schädigers. Der Versicherungsnehmer einer Vollkaskoversicherung erkaufe sich den Versicherungsschutz vielmehr für die Fälle, in denen ihm ein nicht durch andere zu ersetzender Schaden verbleibe.

OLG Nauheim
Urteil vom 15.06.2017
AZ 9 U 3/17

Quelle: IWW/GLH