Isabella Finsterwalder im Gespräch mit Klaus Napierski, Vorsitzender Fahrlehrerverband Niedersachsen e.V.: "Simulatoren für die Fahrschule müssen sich rechnen"
Das Bundesministerium für Digitales und Verkehr (BMDV) arbeitet derzeit an einer Novelle zur Fahrschüler-Ausbildungsordnung (FahrschAusbO). Der Referentenentwurf soll dem BMDV zufolge voraussichtlich im Frühjahr 2025 vorliegen. Das Ziel: Fahrschulen sollen damit alle Instrumente erhalten, die sie für eine effektive Ausbildung von Fahrschülern benötigen. Das Thema Einsatz von Simulatoren soll hier ebenfalls geregelt werden. Inwieweit intelligente Simulatoren die Fahrausbildung unterstützen können, darüber sprach FPX-Redakteurin Isabella Finsterwalder mit Klaus Napierski, dem Vorsitzenden des Fahrlehrerverbandes Niedersachsen e.V.
FPX: Herr Napierski, es wird derzeit viel über die Ausbildung auf Simulatoren in der Fahrschule diskutiert. Wie schätzen Sie den Stellenwert dieses digitalen Instruments für die Ausbildung zum Führerschein der Klassen B und BE ein?
Klaus Napierski: Eine Einschätzung des Stellenwertes ist zurzeit nicht ganz einfach. Es liegen zu wenig Erkenntnisse über den Nutzen der Simulatoren in der Fahrausbildung vor. Natürlich wird von den Herstellern beschrieben, für welche Ausbildungssituationen der Simulator zum Einsatz gebracht werden und was mit ihm in der Ausbildung alles erreicht werden kann. Es ist dabei allerdings zu bedenken, dass die heutige Fahrausbildung zum überwiegenden Teil als Fahrstunde im Realverkehr stattfindet. Daher ist es schwer möglich, am Ende zu unterscheiden, welche Fähigkeiten der Fahrschüler durch die Ausbildung im Realverkehr und welche er am Simulator erworben hat. Und genau hier liegt meines Erachtens die Schwierigkeit: Herauszufinden, welche Ausbildungsinhalte an einem Simulator effektiv trainiert und erfolgreich absolviert werden können und gleichzeitig sicherzustellen, dass diese die Fahrschüler anschließend in der realen Umsetzung nicht überfordern und die Verkehrssicherheit negativ beeinträchtigen. Es bedarf also einer genauen Beschreibung, welche technischen Möglichkeiten ein Simulator bieten muss und welche Bestandteile der Fahrausbildung mit dem Simulator ergänzt, unterstützt und vielleicht in der Zukunft auch ersetzt werden können. Denn auch hier wird die Entwicklung – besonders durch den Einsatz der KI – weiter fortschreiten.
Die Anschaffung eines Fahrsimulators muss gut überlegt sein bzw. muss sich für die Fahrschule rechnen. Vor allem sollte im Hinterkopf behalten werden, dass sich durch den Einsatz von KI, wie von Ihnen angeführt, bei allen technischen Geräten und Maschinen viel ändern wird. Was empfehlen Sie den Fahrschulen hier?
Zunächst bleibt festzuhalten, dass alle Ausbildungsziele, die in der Fahrausbildung verfolgt werden, auch ohne den Einsatz von Simulatoren erreicht werden können. Natürlich stellt sich die Frage, ob der Einsatz von Simulatoren die Anzahl der realen Fahrstunden (Stichwort: CO2 - Ausstoß) und die Anzahl der benötigten Fachkräfte, sprich Fahrlehrer und Fahrlehrerinnen sowie vielleicht sogar Fahrerlaubnisprüfer und -prüferinnen, irgendwann einmal reduzieren kann, um den Fachkräftemangel der Zukunft zu entschärfen. Doch zuvor bedarf es einiger wichtiger Grundlagen. Zunächst benötigen wir eine genaue Beschreibung, welche technischen Anforderungen der Simulator erfüllen muss, damit er in der Fahrausbildung eingesetzt werden kann. Die Festlegung der technischen Fähigkeiten wird den Anschaffungspreis bestimmen. Gleichzeitig bedarf es einer Beschreibung, unter welchen Bedingungen Ausbildungsteile, die am Simulator absolviert worden sind, als Fahrausbildung anerkannt werden können. Außerdem muss gefragt werden: Soll die Fahrt im Simulator betreut werden oder kann dies durch Erklärungen des Gerätes selbstständig erfolgen? Wenn eine Betreuung vorgesehen ist, so steht die Frage im Raum: Ist es ausreichend, dass dies eine Person ist, die in den Simulator eingewiesen ist, oder muss es ein Fahrlehrer bzw. eine Fahrlehrerin sein, damit bei festgestelltem Fehlverhalten auch eine entsprechende Erläuterung und Kontrolle stattfinden kann, wie es besser zu machen ist? Die Beschreibung des „leistungsfähigen Simulators“ ist beim BMDV in Arbeit. Die Bundesvereinigung der Fahrlehrerverbände arbeitet bereits an einem Vorschlag zum Entwurf einer Simulator-Ausbildungsverordnung.
Was kostet ein preisleistungsstarker Simulator? Wann rechnet sich ein Fahrsimulator für die Fahrschule bzw. wie hoch sollte die Auslastung eines Fahrsimulators sein, damit ein rentabler Einsatz gewährleistet ist?
Auch bei den Kosten gibt es einiges zu bedenken. Es ist ja nicht mit der Anschaffung eines solchen Gerätes getan. Die Lernumgebung in der Fahrschule muss dem ja auch angepasst werden. Zunächst gilt es bei einem umfangreichen Einsatz des Simulators auch entsprechende Öffnungszeiten zu realisieren. Dabei unterscheiden sich häufig Stadt- und Landfahrschulen. Während die Hauptstelle unter Umständen über regelmäßige, vielleicht sogar ausreichende Öffnungszeiten verfügt, ist es bei Zweigstellen häufig so, dass sie nur vor und zu den Unterrichtszeiten geöffnet sind. Ferner gilt es zu beachten, dass das vorhandene Raumangebot eventuell nicht ausreichend ist, um einen Simulator aufstellen zu können. Es kann also sein, dass weitere Flächen angemietet werden müssen. Öffnungszeiten verlangen nicht nur mehr Personal, sie verursachen auch weitere Kosten, beispielsweise Energiekosten für Strom, Heizung und Wasser. Zudem kann ein Anstieg der Kundenbesuche auch die zu kalkulierenden Reinigungskosten für die Fahrschulräume, besonders in den Wintermonaten, klettern lassen. Wenn diese Faktoren individuell für die Fahrschule zusammengetragen wurden, können die Kosten für die Ausbildungseinheit am Simulator kalkuliert werden. Darüber hinaus ist es möglich, unter Berücksichtigung der erwartenden Auslastung einen Preis für die Simulatorstunde festzulegen.
Klaus Napierski, 1. Vorsitzender des Fahrlehrerverbandes Niedersachsen e.V. (Bild: © Klaus Napierski)
Bei der Anschaffung von Fahrsimulatoren gibt es je nach Hersteller Unterschiede. Was sind die wichtigsten Qualitätskriterien, die ein intelligenter Fahrsimulator erfüllen sollte, und zwar seitens Hard- und Software?
Diese Kriterien können erst benannt werden, wenn das BMDV seine Anforderungen an die Fähigkeiten der Fahrschulsimulatoren veröffentlicht hat. Allerdings bin ich optimistisch, dass die Hersteller von Simulatoren diese Vorgaben sehr schnell erfüllen werden – wenn sie nicht sogar heute schon von am Markt verfügbaren Modellen namhafter Hersteller erfüllt werden.
Worauf sollte die Fahrschule beim Kauf eines Simulators neben den genannten Kosten weiter achten? Ich denke hier an Herstellergarantie, Wartung und Pflege oder auch an Updates und Kosten der Software?
Unter dem Einsatz von KI ist in diesem Bereich eine rasante Entwicklung zu erwarten. Entsprechende Wartungs-, Pflege- und Update-Verträge werden daher sicher notwendig und sinnvoll sein. Das wiederum macht die Preisfrage spannend. Denn seien wir ehrlich: Was nützt der Fahrschule das Modell mit dem geringeren Anschaffungspreis, wenn die Preise für Wartung, Pflege und Update nicht festgelegt oder Verträge dafür nicht möglich sind? Um vergleichen zu können, müssen all diese Positionen preislich und von der Laufzeit her bekannt sein.
Gibt es aktuell bereits Hersteller von Fahrsimulatoren, die sich am Markt einen Namen gemacht haben und daher unbedenklich empfohlen werden können? Welche sind das?
Bei Simulatoren für die Fahrschule handelt es sich um einen jungen Markt mit einer wachsenden Zahl an Herstellern – da gibt es keine pauschale Empfehlung. Außerdem wird am Ende die Entscheidung nicht unerheblich davon abhängen, was dem Käufer besser gefällt. So wird Bedienerfreundlichkeit sicher eine Rolle spielen. Aber auch das subjektive Gefühl, damit gut zurechtzukommen, wird die Kaufentscheidung beeinflussen.
Ist es vorstellbar, dass Fahrschulen bei der Nutzung eines Fahrsimulators zusammenarbeiten, damit sich die Anschaffung auszahlt?
Aufgrund der Kosten, die für Ausbildungsmittel entstehen, ist Zusammenarbeit zwischen Fahrschulen immer positiv zu betrachten. Es darf aber auch nicht vergessen werden, dass sich diese oft schwierig gestaltet, weil gerade in diesem Bereich ja nur mit Kunden und Kundinnen gearbeitet werden kann, die in einer gewissen räumlichen Nähe zu den Fahrschulen stehen. Das bedeutet aber auch, dass dieser Kundenkreis aus demselben Markt kommt und von beiden Fahrschulen bearbeitet wird. Größere Entfernungen, sodass es keine direkte Marktüberschneidung gibt, hätten natürlich Transfers zur Folge, die geleistet werden müssten. Ferner gilt es, zunächst die Frage zu stellen, ob dafür gesetzliche Vorschriften angepasst werden müssen oder ob es einfach über die Kooperation laufen kann.
Wie viele Stunden auf dem Fahrsimulator erachten Sie für Fahrschüler als sinnvoll? Mit welchen Kosten müssen Fahrschüler pro Stunde am Fahrsimulator rechnen?
Die Frage kann aus den bereits genannten Gründen der Kalkulation nicht pauschal beantwortet werden.
Welche Erfahrungen haben Sie persönlich bzw. Ihr Verband mit dem Einsatz von Fahrsimulatoren bereits gemacht?
Ich informiere mich derzeit darüber, welche Angebote es für welche Bereiche am Markt gibt. Außerdem findet eine gewisse Testphase durch Ausprobieren statt. Dabei ist bereits eines aufgefallen: Es gibt auch Menschen, die den Simulator gesundheitlich nicht vertragen können. Aber auch für die muss es ja eine Lösung geben. Daher rate ich dazu, nicht sofort alle Schaltwagen abzuschaffen, falls die B197 vollständig, also inklusive der Testung am Simulator, darüber absolviert werden kann. Im Verband liegen uns noch keine speziellen Erkenntnisse vor.
Wie lauten Ihre persönlichen Wünsche und Anforderungen an die Fahrausbildung am Simulator? Welche Bestandteile, wie beispielsweise eine Simulator-Ausbildungsrichtlinie, haben Ihrer Überzeugung nach Priorität in der neuen Verordnung?
Wichtig wäre eine genaue, realistische Einschätzung, was mit Simulatoren erreicht werden kann. Ebenso muss detailliert beschrieben werden, wie der Simulator zum Einsatz gebracht werden muss und was anerkannt werden darf. Natürlich muss überdies evaluiert werden, ob die Ausbildung am Simulator die beschriebenen Ausbildungsziele auch erreicht. Nach dem heutigen Stand würde ich sagen: Ausbildung am Simulator als sinnvolle Ergänzung zur bestehenden Ausbildung – ja –, und zwar für die Zukunft mit der Option, mal schauen, wie er sich weiterentwickelt.
Herr Napierski, vielen herzlichen Dank für das Gespräch.
Implementierung der BMDV-Novelle der Fahrschulausbildung
- Einführung 6 Monate nach Verkündung
- Zusätzlich 6 Monate Übergangsfrist
- Beispiel: 8/2025 Verkündung
> 01.02.2026 Einführung
> 31.07.2026 Ende der Übergangsfrist - Im 1. Quartal 2025:
Referentenentwurf mit anschließender Verbändeanhörung (auf Bundesebene); dann schnellstmögliche Verkündung (Ziel: spätestens 9/2025) - Nötige gesetzliche Anpassungen werden ggfs. im Nachhinein vorgenommen
BMDV Novelle der Ausbildung in Fahrschulen: Auszug zum Einsatz von Simulatoren
- Der Einsatz von Simulatoren wird geregelt.
- Es gibt keine Verpflichtung, die Ausbildung an Simulatoren anzubieten.
- Der sinnvolle und zielgerichtete Einsatz von Simulatoren obliegt der pädagogischen Freiheit des Fahrlehrers. Daher wird es keine Vorgaben für den Stundenumfang geben.
- Wichtig sind regelmäßige Lernerfolgsfeststellungen, damit auch sichergestellt ist, dass das Ausbildungsziel für den Realverkehr erreicht wird und die Prüfung im Realverkehr bestanden werden kann.
- Die besonderen Ausbildungsfahren dürfen nicht auf dem Simulator absolviert werden.
- Der Schaltnachweis (B197) kann vollständig auf dem Simulator erbracht werden, wenn das (neue) EU-Recht nicht entgegensteht.
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