15.02.2024

(2602) Gefährliches Überholen - Polizei nimmt Tatfahrzeug in Gewahrsam

Der Fall   Im April 2023 befuhr der Ehemann der Antragstellerin mit deren Pkw, einem Porsche, aus Richtung Speyer kommend die Bundesstraße 39 zwischen Dudenhofen und Hanhofen. In der Gegenrichtung war ein Streifenwagen der Polizei unterwegs. Die Polizeibeamten beobachteten, wie das hinterste der fünf ihnen entgegenkommenden Fahrzeuge – eben jener Porsche – zunächst einen vor ihm fahrenden schwarzen Pkw überholte und danach nicht wieder einscherte, obwohl er nur noch ca. 200 bis 250 m von ihrem Fahrzeug entfernt war. Vielmehr fuhr er mit gleichbleibend hoher Geschwindigkeit auch an einem zweiten Fahrzeug, einem weißen Kastenwagen, vorbei. Um eine Frontalkollision zu vermeiden, bremste der Fahrer des Funkstreifenwagens bis zum Stillstand ab und lenkte das Auto nach rechts an den Fahrbahnrand, um Platz zu schaffen. Der Porsche fuhr währenddessen an dem Kastenwagen vorbei und wechselte etwa 15 m vor dem bereits stehenden Funkstreifenwagen zurück auf die eigene Fahrbahnseite. Beim Wiedereinscheren mussten der schwarze sowie der weiße Wagen ebenfalls bremsen, um eine Kollision zu vermeiden und Platz zu machen. Noch während er am Streifenwagen vorbeifuhr, startete der Fahrer erneut einen Überholvorgang und überholte einen dritten Pkw. Die Polizeibeamten nahmen unter Einsatz von Blaulicht und Martinshorn die Verfolgung des Fahrers auf und stellten im Anschluss an dessen Kontrolle den Porsche zur Gefahrenabwehr sicher. Dem Fahrer wurde die vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis und die Beschlagnahme des Führerscheins eröffnet. Die Antragstellerin legte gegen die Sicherstellung ihres Fahrzeugs Widerspruch ein und beantragte vorläufigen gerichtlichen Rechtsschutz.

Die Beschlüsse   Sowohl das Verwaltungsgericht als auch das Oberverwaltungsgericht wiesen die Beschwerde der Antragstellerin zurück und bestätigten die Rechtmäßigkeit der Sicherstellung. Das Gericht betonte, dass die Polizei nach § 22 des Polizei- und Ordnungsbehördengesetzes eine Sache sicherstellen könne, um eine gegenwärtige Gefahr abzuwehren. In diesem Fall lagen ausreichend Anhaltspunkte vor, dass der Fahrer mit dem Sportwagen weitere erhebliche Verkehrsverstöße begehen würde. Es teile auch unter Berücksichtigung des Vorbringens der Antragstellerin im Beschwerdeverfahren die Auffassung der Vorinstanz, die Aussagen der beiden an dem Vorfall beteiligten Polizeibeamten sowie der weiteren Zeugen ließen allein den Schluss zu, dass der Ehemann der Antragstellerin bei seinem Überholvorgang zwischen Dudenhofen und Hanhofen rücksichtslos und grob verkehrswidrig gehandelt und damit die öffentliche Sicherheit beeinträchtigt habe. Der Ansicht der Antragstellerin, eine Gefahrensituation habe bei Erlass der Sicherstellungsanordnung deshalb nicht bestanden, weil ihrem Ehemann zu diesem Zeitpunkt die Fahrerlaubnis bereits vorläufig entzogen worden sei, könne nicht gefolgt werden. Zwar bestehe kein allgemeiner Erfahrungschatz, wonach ein von der Polizei ertappter „Verkehrssünder“ sich generell unbelehrbar zeige und von den ihm angedrohten Bußgeldern, Fahrverboten und Punkten unbeeindruckt bleibe. Einen solchen habe aber das Verwaltungsgericht nicht angenommen, sondern auf die besonderen Umstände des Einzelfalls und hierbei auf das konkrete Verhalten des Ehemanns der Antragstellerin abgestellt. Dabei sei es zutreffend zu dem Ergebnis gelangt, dass die handelnden Polizeibeamten im vorliegenden Ausnahmefall aufgrund seines Verhaltens davon ausgehen durften, dass die vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis nicht ausreiche, um einer gegenwärtigen Gefahr für die öffentliche Sicherheit durch weitere erhebliche Verkehrsverstöße des Ehemanns mittels des von ihm geführten Fahrzeugs, dem Porsche, zu begegnen. Denn der Fahrer habe sich von seinem grob verkehrswidrigen und mehrere Verkehrsteilnehmer erheblich gefährdenden Verhalten völlig unbeeindruckt gezeigt. Er habe trotz der ihm von den handelnden Polizeibeamten vor Augen geführten Gefährlichkeit seines Überholmanövers jedwede Einsicht vermissen lassen. So habe er ausweislich der Sachverhaltsdarstellung der Polizeibeamten gegenüber diesen angegeben, der ihm aufgrund des Überholmanövers eröffnete Vorwurf der Gefährdung des Straßenverkehrs wegen groben Fehlverhaltens beim Überholen sei lächerlich. Es sei schließlich nichts passiert. Diese Interpretation der Geschehnisse lasse völlig außer Acht, dass sein äußerst gefährlicher Überholvorgang augenscheinlich nur deshalb keine Kollision mit den übrigen Verkehrsteilnehmern zur Folge gehabt habe, weil sowohl der Polizeibeamte als auch die beiden Zeugen diese durch geistesgegenwärtiges Abbremsen bzw. Ausweichmanöver verhindert hätten. Das fehlende Einsichtsvermögen des Ehemannes der Antragstellerin werde noch unterstrichen durch seine weitere Angabe gegenüber den Polizeibeamten, er habe bereits zwei Millionen Kilometer Fahrstrecke ohne Zwischenfälle absolviert, sodass ein Fehler seinerseits völlig ausgeschlossen sei. Dies gelte umso mehr, als sein Verkehrsverhalten in der Vergangenheit nicht ohne Weiteres als „ohne Zwischenfälle“ zu bezeichnen sei. Vielmehr sei gegen ihn wegen Nötigung und Beleidigung im Straßenverkehr ermittelt worden, wobei dieses Verfahren zum Zeitpunkt der Anordnung der streitgegenständlichen Sicherstellung noch nicht abgeschlossen gewesen sei.

Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz
– Beschluss vom 29.08.2023 –
Az. 7 B 10593/23.OVG