(2381) Radweg in falscher Richtung benutzt - wer haftet?
Der Fall Eine junge Autofahrerin wollte mit dem Auto ihres Vaters vom Grundstück auf die Straße abbiegen. Dabei musste sie einen Geh- und Radweg überqueren. Der Radweg war auf dieser Straßenseite nur für eine Richtung freigegeben, gegenüber für die andere. Die Autofahrerin tastete sich nach eigenen Angaben langsam vor und vergewisserte sich durch mehrere Blicke nach rechts und links, dass sich weder Fußgänger noch Radler in der Nähe befinden. Dennoch krachte es, als sie den Radweg überquerte. Ein Radfahrer war rechts gegen die Beifahrertür des Pkw gestoßen. Der Eigentümer des Kfz verlangte vom Radfahrer Schadenersatz. Schließlich sei der auf dem Radweg als ,,Geisterfahrer" unterwegs gewesen. Seine Tochter habe ihn - obwohl sie sich sehr vorsichtig verhalten habe - daher nicht sehen können. Wäre er ordnungsgemäß auf der anderen Straßenseite gefahren, hätte die Kollision vermieden werden können. Der Radler verweigerte die Zahlung. Darauf ging der Kfz-Eigentümer vor Gericht.
Das Urteil Beide Unfallbeteiligten haften. Das OLG Karlsruhe kam zu dem Ergebnis, dass sowohl der Radler als auch die Autofahrerin den Unfall verschuldet haben. Der Radler musste daher 50 Prozent des entstandenen Schadens tragen.
Urteilsgründe Der Radfahrer befuhr den Radweg in der falschen Richtung. Das war ein Verstoß gegen § 2 Abs. 4 Satz 2 StVO. Er war sozusagen ein Geisterfahrer. Auch hatte er gegen § 1 Abs. 2 StVO verstoßen, weil er bei ausreichender Beobachtung des übrigen Verkehrs die Gefahr hätte erkennen und den Aufprall vermeiden können.
Auch die Autofahrerin hatte Teilschuld an dem Unfall. Sie hat ihre Pflichten beim Ausfahren nach § 10
StVO verletzt. Denn danach muss man sich so verhalten, dass eine Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer ausgeschlossen ist. Sie hat als eine aus einem Grundstück Ausfahrende den Vorrang des Radfahrers missachtet.
Neben der Haftung aus Verschulden wurde dem Kfz-Eigentümer auch die aus der Betriebsgefahr resultierende Gefährdungshaftung zugerechnet. Deshalb bekam er nur 50 Prozent des Schadens ersetzt.
Oberlandesgericht Karlsruhe, Urteil vom 29.03.2016
Az. 9 U 103/14