15.04.2023

(2576) Lässt Missachtung des Rechtsfahrgebots immer auf Rücksichtslosigkeit schließen?

Der Fall   Der Angeklagte verbrachte einen siebenwöchigen Urlaub in Thailand. Noch am Tag seiner Rückkehr fuhr er mit seinem Pkw von Winnweiler nach Ramstein. Dabei befuhr er die Landstraße auf der linken Seite. Nach zwei bis drei Minuten Fahrtzeit kollidierte er in einem Kurvenbereich frontal mit einem auf derselben Seite entgegenkommenden Pkw. Der Angeklagte hatte sich weder vor Fahrtantritt noch während der Fahrt darüber Gedanken gemacht, dass in Deutschland - anders als in Thailand - Rechtsverkehr herrscht. Die Unfallgegnerin und ihr Beifahrer wurden bei dem Unfall verletzt.

Urteil 1. Instanz   Das Amtsgericht Rockenhausen hat den Angeklagten wegen fahrlässiger Gefährdung des Straßenverkehrs im Sinne des § 315 c Absatz 1 Nr. 2 StGB in Tateinheit mit fahrlässiger Körperverletzung in zwei Fällen zu einer Geldstrafe von 150 Tagessätzen verurteilt, die Fahrerlaubnis entzogen und die Verwaltungsbehörde angewiesen, ihm vor Ablauf von weiteren acht Monaten keine neue Fahrerlaubnis zu erteilen.

Urteil 2. Instanz   Das Landgericht Kaiserslautern hat diese Entscheidung bestätigt.

Urteil 3. Instanz   Auf die hiergegen gerichtete Revision des Angeklagten hat das Pfälzische Oberlandesgericht das Urteil dahingehend geändert, dass der Angeklagte der fahrlässigen Körperverletzung in zwei tateinheitlichen Fällen schuldig ist, nicht jedoch der fahrlässigen Straßenverkehrsgefährdung. Wegen der deshalb auszusprechenden Rechtsfolgen muss sich das Landgericht erneut mit dem Fall befassen. Zur Begründung hat der Senat des Pfälzischen Oberlandesgerichts ausgeführt:

Begründung des OLG   Eine fahrlässige Straßenverkehrsgefährdung setze ein rücksichtsloses Handeln voraus, was im Falle des Angeklagten nicht angenommen werden könne. Rücksichtslos handele ein Fahrer, der sich konkret seiner Pflicht bewusst sei, sich aber dennoch nicht an sie halte. Rücksichtslos handele auch, wem es egal sei, ob er sich an seine Pflichten als Teilnehmer im Straßenverkehr halte und einfach, ohne an die Folgen zu denken, drauflosfahre. Es müsse sich um ein überdurchschnittliches Fehlverhalten handeln, das von einer besonders verwerflichen Gesinnung geprägt sei. Gelegentliche Unaufmerksamkeit oder reine Gedankenlosigkeit würden hierfür nicht genügen. Der Angeklagte habe sich hier zwar über das Rechtsfahrgebot hinweggesetzt. Dabei habe er aber nicht bewusst oder aus Gleichgültigkeit gegenüber anderen Straßenverkehrsteilnehmern gehandelt, sondern lediglich aus Unachtsamkeit, nachdem er sich sieben Wochen in einem Land aufgehalten habe, in dem Linksverkehr herrsche.

Oberlandesgericht Zweibrücken
- Beschluss vom 28.11.2022 -
Az. 2 Ss 34/22