Handicap? Na und!: Zur Ausbildung Behinderter in Fahrschulen
Mobilität bedeutet für Menschen mit körperlichen Einschränkungen ein großes Stück Freiheit und Selbstbestimmung – sei es für die Ausübung des Berufs, die Bewältigung des Alltags oder nur, um Freunde und die Familie besuchen zu können. Der Führerschein eröffnet mobilitätseingeschränkten Menschen genau diese Möglichkeiten.
Eine von der Fahrschule Zawatzky in Zusammenarbeit mit der BASt-Schriftreihe Heft M167 durchgeführte Studie bestätigt dies: Über 80 Prozent der Befragten nannten den Wunsch nach Mobilität als wichtigsten Grund für den Führerschein. Rund 70 Prozent betonten die Unabhängigkeit von Fahrdiensten und ebenso häufig wurde die Erleichterung des täglichen Lebens genannt.
Behinderungsarten und ihre Auswirkungen auf die Ausbildung
Jeder Mensch hat grundsätzlich das Recht, eine Fahrerlaubnis zu erwerben, solange seine Behinderung die Fahrtüchtigkeit nicht beeinträchtigt. Daher ist es für Fahrlehrer/-innen, die sich in diesem Bereich engagieren wollen, wichtig, über grundlegende Kenntnisse zu verschiedenen Krankheitsbildern und deren Auswirkungen auf die Fahrausbildung zu verfügen. Es ist wichtig, dabei grundsätzlich die folgenden Bereiche zu unterscheiden:
- Körperliche Einschränkungen ohne Beteiligung des Gehirns (z.B. Paraplegie, Hemiplegie): Mit einem geeigneten Fahrzeug ist die Ausbildung meist problemlos möglich.
- Einschränkungen mit Beteiligung des Gehirns (z.B. Schädel-Hirn-Trauma, infantile Cerebralparese): Hier ist die erforderliche Ausbildungszeit erheblich länger, und die Aussicht auf Erfolg ist nicht immer sicher.
Der Weg zum Führerschein
- Erstgespräch: Klärung, ob die Fahrausbildung mit dem vorhandenen Fahrzeug möglich ist und Hinweis auf notwendige Gutachten.
- Antrag bei der Fahrerlaubnisbehörde: Einholung der Gutachten, Antragstellung und Festlegung eventueller Auflagen.
- Fahrausbildung und Fahrprobe: Ausbildungsbeginn erst nach Klärung der Kostenfrage, da eine rückwirkende Erstattung durch den Leistungsträger nicht möglich ist.
Gesetzliche Grundlagen
Für Handicap-Fahrlehrer/-innen ist es essenziell, die relevanten Gesetze und Regelwerke zu kennen. Dazu gehört die Straßenverkehrs-Ordnung (StVO). § 1 Absatz 2 StVO verlangt, dass jeder Verkehrsteilnehmer andere Verkehrsteilnehmer schützen muss.
Die Fahrerlaubnis-Verordnung (FeV) enthält mehrere wichtige Bestimmungen:
§ 2 Absatz 1 fordert, dass die Teilnahme am Straßenverkehr nur ohne Gefährdung anderer erfolgen darf,
§ 11 verlangt, dass Bewerber körperlich, geistig und charakterlich geeignet sein müssen, und
§ 46 regelt die Entziehung oder Beschränkung der Fahrerlaubnis bei fehlender Eignung.
Zudem bietet das VdTÜV-Merkblatt 745 „Sicherheitsmaßnahmen bei körperbehinderten Kraftfahrern“ eine wertvolle Orientierungshilfe für Fahrlehrer/-innen, Sachverständige und Prüfer/-innen.
Erwartungen an Fahrschulen im Handicap-Bereich
Derzeit existieren keine verbindlichen Qualitätsstandards für sog. „Behindertenfahrschulen“. Deshalb ist es umso wichtiger, dass Fahrlehrer/-innen über fundiertes Wissen verfügen und ihre Ausbildung individuell an die Bedürfnisse der Fahrschüler/-innen anpassen.
Bernd Zawatzky
Zum Autor
Kollege Bernd Zawatzky aus Neckargemünd ist seit vielen Jahren ausgewiesener Experte für die Fahrausbildung behinderter Menschen und außerdem der Handicap-Referent des Fahrlehrerverbandes Baden-Württemberg e.V.
Darüber hinaus ist er Mitautor der BASt-Studie M 167 „Fahrausbildung für Behinderte“. Die Redaktion der FahrSchulPraxis hat Bernd Zawatzky gebeten, in dieser und in den folgenden Ausgaben der FahrSchulPraxis wesentliche Aspekte der für Menschen mit Handicap so wichtigen Erlangung der Fahrerlaubnis darzustellen.
Hinweis:
Fortbildungsmöglichkeit für Fahrlehrer/-innen – Für Fahrlehrer/-innen, die bereits im Bereich der Handicap-Fahrausbildung tätig sind oder sich dort engagieren möchten, bietet Kollege Zawatzky in Zusammenarbeit mit der Denkfabrik Arbeitskreis Handicap ein spezielles dreitägiges Fortbildungsseminar an.
Die Inhalte des Seminars umfassen
- medizinische Grundlagen,
- gesetzliche Rahmenbedingungen,
- technische Fahrzeuganpassungen und
- pädagogische Ansätze für die Betreuung von Fahrschüler/-innen.
Die praxisnahe Fortbildung vermittelt wertvolles Wissen und unterstützt Fahrlehrer/-innen dabei, sich ein zukunftsträchtiges Geschäftsfeld zu erschließen und gleichzeitig einen wichtigen Beitrag zur Mobilität von Menschen mit Handicap zu leisten.
Wo: Lobbach (Nähe Heidelberg), in der Manfred-Sauer-Stiftung
Wann: 23.02.2026 – 25.02.2026
Information: Bernd Zawatzky
Kontakt: E-Mail: fahrschule@zawatzky.de, Telefon: 06223/2155
Hinweis: Das Seminar ist keine Fortbildung im Sinne von § 53 Abs. 1 FahrlG.



