(2628) Fahrerlaubnis auf Probe: MPU und eine nicht beabsichtigte Regelungslücke
Der Fall Dem Kläger wurde im Juli 2014 die Fahrerlaubnis der Klasse B erstmals erteilt. Bei nacheinander erfolgten Verkehrskontrollen aus Anlass von Verkehrsverstößen wurde beim Kläger der Konsum von Cannabis festgestellt. Darauf verlangte die Fahrerlaubnisbehörde ein medizinisch-psychologisches Gutachten. Das vom Kläger vorgelegte Gutachten führte zu einer negativen Beurteilung seiner Fahreignung, worauf der Kläger auf seine Fahrerlaubnis verzichtete. Auf der Grundlage eines später vorgelegten positiven medizinisch-psychologischen Gutachtens wurde dem Kläger im Juli 2020 die Fahrerlaubnis der Klasse B neu erteilt. Nur zwei Monate später missachtete er eine bereits länger als eine Sekunde rot zeigende Ampel. Die Fahrerlaubnisbehörde ordnete erneut die Beibringung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens an und stützte sich hierfür auf § 2a Abs. 5 Satz 5 StVG. Nachdem der Kläger das Gutachten nicht fristgerecht beigebracht hatte, wurde ihm die Fahrerlaubnis entzogen.
Urteil 1. Instanz Das Verwaltungsgericht (VG) hat die Entziehung der Fahrerlaubnis aufgehoben, weil die Anordnung der Beibringung eines erneuten medizinisch-psychologischen Gutachtens nicht auf § 2 a Absatz 5 Satz 5 StVG habe gestützt werden können. Die Vorschrift gelte nach ihrem Wortlaut nur, wenn die erste Fahrerlaubnis entzogen worden sei und nicht, wenn der Betroffene – wie hier – auf die Fahrerlaubnis verzichtet habe.
Urteil 2. Instanz Das Oberverwaltungsgericht (OVG) hingegen hat die Vorschrift auf den Verzicht für entsprechend anwendbar gehalten und die Klage gegen die Entziehung der Fahrerlaubnis abgewiesen.
Urteil 3. Instanz Das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) hat die Rechtsauffassung des OVG bestätigt. Die Anforderung des medizinisch-psychologischen Gutachtens konnte auf § 2 a Absatz 5 Satz 5 StVG in entsprechender Anwendung gestützt werden. Die Fahrerlaubnis auf Probe wurde im Jahr 1986 eingeführt. Sie soll allen Fahranfängern deutlich machen, dass sie sich in einer Probezeit bewähren müssen. Mit dem Gesetz zur Änderung des Straßenverkehrsgesetzes vom 24. April 1998 reagierte der Gesetzgeber auf den Versuch, die Regelungen der Fahrerlaubnis auf Probe durch Verzicht und anschließenden Neuerwerb zu umgehen. Es hatte zum Ziel, dass die Regelungen für den Fall der Entziehung auch beim Verzicht auf die Fahrerlaubnis Anwendung finden.
Begründung Für die hier in Rede stehenden Regelungen über die Neuerteilung einer Fahrerlaubnis und Zuwiderhandlung in der neuen Probezeit (§ 2a Absatz 5 StVG) sollte ebenfalls eine Gleichstellung erfolgen. Ausdrücklich geregelt wurde sie nur für das Erfordernis der Teilnahme an einem Aufbauseminar vor Erteilung einer neuen Fahrerlaubnis, nicht für die Anforderung eines Gutachtens nach erneuter Nichtbewährung in der neuen Probezeit. Das Ziel, einer Umgehung der Probezeit mit ihren besonderen Maßnahmen zu begegnen, sowie Sinn und Zweck der Vorschriften, im Interesse der Verkehrssicherheit auf alle Fahranfänger gleiche Regeln anzuwenden, rechtfertigen die Annahme einer nicht beabsichtigten Regelungslücke, die durch eine entsprechende Anwendung der Vorschrift zu schließen ist. Somit war die Entziehung in diesem Fall rechtens.
Bundesverwaltungsgericht –
Urteil vom 10.10.2024 – Az.: 3 C 3.23