15.05.2019

(2445) VW-Abgasskandal: Fahrzeugkäufer hat Anspruch auf Schadenersatz

Der Fall   Willi Petitor (Name geändert, Red.) erwarb im Herbst 2013 bei einem Autohaus einen neuen VW Tiguan Sport & Style BM Tech. 2,0 l TDI für 32.027,30 EUR. Das Fahrzeug hat einen Dieselmotor des Typs EA 189, der mit einer Software ausgestattet ist, die bei standardisierten Test- und Prüfungssituationen in den sogenannten Abgasrückführungsmodus 1 schaltet, wodurch es zu einem relativ geringen Emissionsausstoß kommt. Im normalen Straßenverkehr ist der Abgasrückführungsmodus 0 aktiv; die gesetzlich vorgeschriebenen Emissionsgrenzwerte hält das Fahrzeug lediglich in Modus 1 ein.

Schadenersatz und Ersatz der Anwaltskosten   Petitor verlangte Schadenersatz in Höhe des vollen Kaufpreises gegen Rückgabe des Fahrzeuges sowie Erstattung der Kosten, die er für die Finanzierung des Fahrzeuges aufgewandt hatte. Weiterhin verlangte Petitor Ersatz der Kosten, die er bis zur Klage für einen Rechtsanwalt zur Realisierung seiner Forderung aufgebracht hatte. Petitor führte an, die Typengenehmigung hätte aufgrund der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 für dieses Fahrzeug nicht erteilt werden dürfen. Er argumentierte weiter, bei Kenntnis der Sachlage hätte er das Auto nicht gekauft. Das Fahrzeug habe seit Bekanntwerden des Diesel-Skandals einen hohen Wertverlust erfahren. Das Aufspielen des vom Autohaus angebotenen Software-Updates könne zu höherem Verbrauch und Leistungsverlust führen. Auch für die Lebensdauer des Rußpartikelfilters und des Motors seien Nachteile möglich.

Autohaus bestreitet Wertminderung   Das Autohaus machte geltend, die Typengenehmigung sei wirksam erteilt worden, das Software-Update führe nicht zu den von Petitor befürchteten Folgen. Und die Gebrauchtwagenpreise seien trotz der Dieseldebatte stabil geblieben, eine Wertminderung sei nicht gegeben.

Das Urteil   Das Landgericht Koblenz hat entschieden, dass dem Käufer eines VW Tiguan Sport & Style BM Tech. 2,0 l TDI, der mit der vom Dieselskandal betroffenen unzulässigen Abschaltautomatik ausgerüstet ist, ein Anspruch auf Erstattung des gezahlten Kaufpreises zuzüglich Zinsen gegen Rückgabe des Fahrzeuges zusteht. Zudem sind auch die für die Finanzierung des Fahrzeugs angefallenen Kreditkosten sowie aufgewandte Rechtsanwaltskosten zu erstatten. Allerdings muss Petitor nach § 92 ZPO einen Teil der Verfahrenskosten selbst tragen, da er mit seiner Klage eine vollständige Rückzahlung des ursprünglichen Kaufpreises begehrte, hiervon aber der Nutzungsersatz in Abzug zu bringen ist.

Zur Begründung   Nach den Feststellungen des Gerichtes sei das Fahrzeug mit einer nach Art. 5 Abs. 2 VO (EG) 715/2007 unzulässigen Abschalteinrichtung ausgestattet. Bereits hierdurch sei der Kläger geschädigt, da der erworbene Pkw von den Erwartungen des Erwerbers abweiche. Auch habe Petitor nachvollziehbar dargelegt, dass er das Fahrzeug nicht gekauft hätte, wenn er von dieser Softwareprogrammierung des Motors Kenntnis gehabt hätte. Nach Überzeugung des Gerichtes haftet die VW AG nach § 826 BGB wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung. Das Gericht führte dazu aus, die im Rahmen des § 826 BGB geforderte besondere Verwerflichkeit des Verhaltens begründe sich daraus, dass die VW AG als größter Fahrzeughersteller und -exporteur Deutschlands diese rechtswidrigen Motormanipulationen in einer Vielzahl von Fällen vorgenommen und verschwiegen habe. Darin zeige sich übersteigertes Gewinnstreben zu Lasten von Kunden.

Landgericht Koblenz
- Urteil vom 27.02.2019 - Az. 15 O 331/17