15.01.2020

(2462) Flucht vor Polizei kann "Rennen" im Sinne von § 315d StGB sein

Der Fall Der Angeklagte war im Mai 2018 vor einer Polizeistreife geflüchtet, die ihn einer Verkehrskontrolle unterziehen wollte. Dabei überfuhr er mehrere rote Ampeln, schnitt an unübersichtlichen Stellen die Kurven und überschritt die Geschwindigkeitsbegrenzungen um bis zu 110 km/h. Die Polizeibeamten mussten die Verfolgung wegen des Risikos für sie selbst und andere Verkehrsteilnehmer schließlich abbrechen. Der Mann war dafür vom Amtsgericht (AG) Münsingen wegen verbotenen Kraftfahrzeugrennens gemäß § 315d Absatz 1 Nr. 3 StGB zu der Geldstrafe von 70 Tagessätzen zu je 40 Euro verurteilt worden. Ihm wurde die Fahrerlaubnis entzogen und sein Führerschein wurde eingezogen. Zudem wurde eine Sperrfrist für die Neuerteilung der Fahrerlaubnis von neun Monaten festgesetzt. Hiergegen legte er die Sprungrevision zum OLG ein.

Das Urteil   Die Revision blieb jedoch ohne Erfolg. Das Amtsgericht habe fehlerfrei festgestellt, dass der Angeklagte in der Absicht handelte, eine höchstmögliche Geschwindigkeit zu erreichen, wie es der Tatbestand des § 315d in Absatz 1 Nr. 3 StGB voraussetzt. Dies verlange laut OLG nicht die Absicht, das Fahrzeug mit objektiv höchstmöglicher Geschwindigkeit zu führen oder es bis an die technischen bzw. physikalischen Grenzen auszufahren. Ausreichend sei vielmehr das Abzielen auf eine relative, eine nach den Sicht-, Straßen- und Verkehrsverhältnissen oder den persönlichen Fähigkeiten des Fahrers mögliche Höchstgeschwindigkeit. Die Absicht, eine höchstmögliche Geschwindigkeit zu erreichen, müsse auch nicht Haupt- oder Alleinbeweggrund für die Fahrt sein. Wenn die weiteren Tatbestandsvoraussetzungen im Einzelfall festgestellt werden, könne in den Fällen der ,,Polizeiflucht" eine Strafbarkeit nach § 315d Absatz 1 Nr. 3 StGB vorliegen. Dafür sprechen nach Ansicht der Stuttgarter Richter sowohl der Gesetzeswortlaut als auch die Begründung zum Vorschriftstext. Die Flucht sei schließlich von einem spezifischen Renncharakter geprägt, in dem sich gerade die in der Gesetzesbegründung genannten besonderen Risiken wiederfänden, auch wenn das Ziel des Wettbewerbs hier nicht im bloßen Sieg, sondern in der gelungenen Flucht liege. Die risikobezogene Vergleichbarkeit mit den sportlichen Wettbewerben liegt nach Ansicht des Gerichts auf der Hand. Die Richter hielten es vor dem Hintergrund des Schutzzwecks der Vorschrift und der intendierten Abgrenzung zwischen Fahrten mit Renncharakter - und damit abstrakt höherem Gefährdungspotential - und bloßen Geschwindigkeitsüberschreitungen daher für sinnwidrig, allein danach zu differenzieren, welche Motive die Absicht, eine höchstmögliche Geschwindigkeit zu erreichen, letztlich ausgelöst haben oder begleiten.
Quelle: OLG Stuttgart/exc. GLH

Oberlandesgericht Stuttgart
- Beschluss vom 04.07.2019 -
Az. 4 Rv 28 Ss 103/19.

Wortlaut der aktuellen Strafbestimmung über illegale Autorennen:

StGB: § 315d Verbotene Kraftfahrzeugrennen

(1) Wer im Straßenverkehr

1. ein nicht erlaubtes Kraftfahrzeugrennen ausrichtet oder durchführt,
2. als Kraftfahrzeugführer an einem nicht erlaubten Kraftfahrzeugrennen teilnimmt oder
3. sich als Kraftfahrzeugführer mit nicht angepasster Geschwindigkeit und grob verkehrswidrig und rücksichtslos fortbewegt, um eine höchstmögliche Geschwindigkeit zu erreichen,

wird mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) Wer in den Fällen des Absatzes 1 Nummer 2 oder 3 Leib oder Leben eines anderen Menschen oder fremde Sachen von bedeutendem Wert gefährdet, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(3) Der Versuch ist in den Fällen des Absatzes 1 Nummer 1 strafbar.

(4) Wer in den Fällen des Absatzes 2 die Gefahr fahrlässig verursacht, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(5) Verursacht der Täter in den Fällen des Absatzes 2 durch die Tat den Tod oder eine schwere Gesundheitsschädigung eines anderen Menschen oder eine Gesundheitsschädigung einer großen Zahl von Menschen, so ist die Strafe Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren, in minder schweren Fällen Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren.