15.05.2024

(2611) Crash bei Rückwährtsfahren in einer Einbahnstraße

Der Fall In NRW kam es in einer Einbahnstraße zu einem Verkehrsunfall, als eine Fahrzeugführerin rückwärts fuhr, um einem anderen Fahrzeug das Ausparken zu ermöglichen und anschließend selbst in der Parklücke einzufahren. Zur gleichen Zeit fuhr hinter ihr ein Pkw-Fahrer rückwärts aus einer Grundstückszufahrt, wodurch es zum Zusammenstoß kam. Nachdem die Haftpflichtversicherung der Fahrzeugführerin den Schaden des Pkw-Fahrers zu 40 % reguliert hatte, klagte der Pkw-Fahrer auf Zahlung der restlichen 60 %. Urteil 1. Instanz Das Amtsgericht Düsseldorf gab der Schadenersatzklage statt. Urteil 2. Instanz Im von der Fahrzeugführerin angestrengten Einspruchsverfahren lehnte das Landgericht Düsseldorf die Klage ab. Begründung: Der Pkw-Fahrer hafte zu 60 % für die Unfallfolgen. Er habe zum einen gegen § 10 Satz 1 StVO verstoßen, indem er die Vorfahrt der Beklagten missachtet habe. Zudem liege ein Verstoß gegen § 9 Abs. 5 StVO vor. Für beide Verstöße spreche der Beweis des ersten Anscheins. Der Beklagten sei dagegen kein Verkehrsverstoß anzulasten. Das kurze Rückwärtsfahren sei als Behelfsmaßnahme zulässig gewesen. Gegen diese Entscheidung richtete sich die Revision des Pkw-Fahrers. Das Urteil Der Bundesgerichtshof entschied zu Gunsten des Klägers. Die Beklagte habe in unzulässiger Weise die Einbahnstraße rückwärts befahren. Lediglich unmittelbares Rückwärtseinparken sowie Rückwärtsausfahren von einem Grundstück sei zulässig. Demgegenüber sei Rückwärtsfahren auch dann unzulässig, wenn es dazu dient, erst zu einer freien oder freiwerdenden Parklücke zu gelangen oder einem Fahrzeug die Ausfahrt aus einer Parklücke zu ermöglichen, um anschließend selbst in diese einfahren zu können. Gegen den Kläger spreche kein Anscheinsbeweis für einen Verstoß gegen § 10 Satz 1 StVO oder § 9 Abs. 5 StVO, so der BGH. Es liege die für die Anwendung des Anscheinsbeweises erforderliche Typizität schon deshalb nicht vor, weil die Beklagte die Einbahnstraße in unzulässiger Weise rückwärts befuhr. Es gebe keinen Erfahrungssatz, wonach sich der Schluss aufdrängt, dass unter diesen Umständen den rückwärts aus der Grundstückszufahrt auf die Einbahnstraße einfahrenden Kläger ein Verschulden treffe. Der Bundesgerichtshof wies den Fall zwecks Prüfung des Vorliegens eines Verschuldens des Klägers an das Landgericht zurück. Dabei gab er zu bedenken, dass der Kläger grundsätzlich nicht mit dem unzulässigen Rückwärtsfahren der Beklagten habe rechnen müssen.

Bundesgerichtshof –

Urteil vom 10.10.2023 – Az. VI ZR 287/22