(2619) Kolonnenspringen mit hoher Geschwindigkeit auf enger Fahrbahn
Der Fall An einem Nachmittag im Juli 2022 kam es auf einer Kreisstraße zwischen Gaggstatt und Wallhausen zu einem Verkehrsunfall, als ein Teslafahrer eine Fahrzeugkolonne überholte. Beim Versuch, drei Fahrzeuge auf einmal zu überholen, beschleunigte der Tesla auf 95 km/h und kollidierte mit einem in der Kolonne befindlichen Opel Astra. Die Kreisstraße war an der Stelle etwa 5 m breit. Sie verfügte weder über eine Mittellinie noch über ein Bankett. Zudem verlief die Straße in einer Rechtskurve bergab und anschließend in einer Linkskurve bergauf. Der Teslafahrer klagte gegen den Fahrer und den Halter des Opel sowie dessen Haftpflichtversicherung auf Zahlung von Schadenersatz. Er führte an, dass sich der Opelfahrer nicht an das Rechtsfahrgebot gehalten habe.
Urteil 1. Instanz Das Amtsgericht Langenburg wies die Klage ab. Dagegen richtete sich die Berufung des Klägers.
Urteil 2. Instanz Das Landgericht Ellwangen bestätigte die Entscheidung des Amtsgerichts. Dem Kläger stehe kein Anspruch auf Schadenersatz zu. Er hafte für die Unfallfolgen allein. Dem Kläger sei ein grob fahrlässiger Verstoß gegen § 5 Abs. 3 Nr. 1 StVO (unklare Verkehrslage) anzulasten. Zwar dürfe eine Kolonne grundsätzlich überholt werden, jedoch hätte dem Kläger unter Berücksichtigung des Umstandes, dass sein Fahrzeug etwa 2,1 m breit war, einleuchten müssen, dass ein Überholen trotz seiner extremen Beschleunigungsfähigkeit allenfalls möglich sein würde, wenn alle überholten Fahrzeuge am äußersten rechten Fahrbahnrand fahren und mit der nötigen Aufmerksamkeit ihre Fahrlinie exakt einhalten würden. Darauf habe der Kläger aufgrund des deutlich sichtbaren kurvigen Verlaufs der Straße nicht vertrauen dürfen. Mit einem gefahrlosen Überholen habe nicht gerechnet werden dürfen.
Nach Ansicht des Landgerichts sei dem Beklagten kein Verstoß gegen das Rechtsfahrgebot aus § 2 Abs. 2 StVO anzulasten. Der Beklagte habe angesichts der Breite der Kreisstraße und des Umstandes des fehlenden Banketts und Gegenverkehrs einen gewissen Seitenabstand zum rechten Fahrbahnrand einhalten dürfen. Im Übrigen bestehe keine Verpflichtung, am äußersten rechten Fahrbahnrand zu fahren, um riskante Überholmanöver durch Kolonnenspringer zu ermöglichen.
Landgericht Ellwangen –
Urteil vom 20.03.2024 – Az. 1 S 70/23