28.05.2025© FahrSchulPraxis - Entnommen aus Ausgabe Mai 2025, Seite 298

Kolumne Gebhard L. Heiler: Fahrlehrerrecht anno 1950 und heute

Nur fünf Jahre nach dem Zusammenbruch des Deutschen Reichs und nur ein Jahr nach Gründung der Bundesrepublik Deutschland hatten einige Fahrlehrer im Südwesten der Republik die Idee, im Vorgriff auf den geplanten Südweststaat einen Südwestverband der Fahrlehrer zu gründen. Die Protagonisten schafften es, maßgebliche Leute der in den damaligen Bundesländern Württemberg-Baden, Baden (Südbaden) und Württemberg-Hohenzollern bestehenden Fahrlehrerverbände an einen Tisch zu bringen. Im Nachkriegsjahr 1950 waren die tiefen Wunden, welche die Naziherrschaft mit ihrem verheerenden Eroberungskrieg geschlagen hatte, noch lange nicht verheilt, am wenigsten die seelischen. Dennoch war in der Bevölkerung ein starkes Gefühl der Hoffnung und des Aufbruchs entstanden. Die Menschen gingen zuversichtlich ans Werk, das geschlagene, gedemütigte und zerstörte Land wieder aufzubauen. Die Nachkriegsjahre waren eine Zeit des Zupackens, nicht eine der Zauderer, Pessimisten und der Passiven. 

 

Die Gründungsinitiatoren des neuen Verbandes waren tatkräftige Menschen. Daneben ist ihnen Weitblick und Courage zu bescheinigen. Dass es ihnen gelungen ist, Badener, Hohenzollern, Kurpfälzer und Württemberger unter einen Hut zu bringen und einen Landesverband zu formieren, welcher der politischen Einigung für den Südweststaat vorauseilte, war eine großartige Leistung. Einige dieser Männer hatte ich kennengelernt: Hermann Horlacher aus Stuttgart, Christian Hahn aus Reutlingen, Karl Rederer aus Ulm, Otto Henninger aus Karlsruhe und Adolf Wolfer aus Nürtingen. Am schwersten dürfte es für Franz Kopp sen. aus Freiburg gewesen sein, gegen die Idee des Südweststaates zu handeln und den sog. Altbadenern die Aufgabe des eigenen südbadischen Fahrlehrerverbandes und das Zusammengehen mit den Schwaben schmackhaft zu machen.

 

Schließlich kamen am 1. Juli 1950 in der Gaststätte Paulinenhof zu Heilbronn 46 Kollegen zusammen, um den Verband der Kraftfahrlehrer Württemberg-Baden-Hohenzollern e.V. zu gründen. Sie gingen ein ziemliches Wagnis ein. Es mussten ja nicht nur drei bestehende Fahrlehrerverbände unter einen Hut gebracht werden. Enorme Schwierigkeiten lagen vielmehr auch darin, dass sich die gewerberechtlichen Vorstellungen der französischen Besatzungsmacht, die in den Bundesländern Baden und Südwürttemberg-Hohenzollern das Sagen hatte, ganz erheblich von denen der Amerikaner unterschieden, die in dem von ihnen okkupierten Teil Deutschlands und somit auch im Bundesland Nordwürttemberg-Nordbaden Gewerbefreiheit nach amerikanischem Muster favorisierten. Rechtlich gesehen befand sich das Fahrschulwesen auf äußerst unsicherem rechtlichen Terrain, denn die Bundesregierung hatte noch keine gesetzgeberischen Schritte zur Neuregelung der Ausbildung von Kraftfahrzeugführern unternommen. Es galt im Prinzip noch immer die Verordnung über die Ausbildung von Kraftfahrzeugführern vom 21. Dezember 1933, allerdings mit zonalen Varianten, also einer regional sehr unterschiedlichen Verwaltungspraxis.

 

Der junge Südwest-Verband trat nachdrücklich für eine bundeseinheitliche gesetzliche Regelung des Fahrlehrerrechts ein. Doch dafür ließ sich die Bundesregierung noch sieben Jahre Zeit. Am 1. September 1957 trat die Verordnung über Fahrlehrer im Kraftfahrzeugverkehr (Fahrlehrerverordnung) vom 23. Juli 1957 in Kraft. Diese war schieres Verwaltungsrecht, das dem Fahrlehrerberuf mehr schlecht als recht diente. Es war eine sehr gestrige Rechtssetzung, die u.a. den technischen Aspekt unangemessen hervorhob: Wer als Fahrlehrer angehende Fahrer schwerer Lkw ausbilden wollte, musste die Gesellenprüfung im Kraftfahrzeughandwerk oder ein abgeschlossenes Hochschulstudium des Maschinenbaufachs- oder der Elektrotechnik nachweisen.

 

Gravierende Mängel der Fahrlehrerverordnung waren überdies: 

  • keinerlei Regelungen über die Fahrlehrer- und die Fahrschülerausbildung, 
  • die Fahrausbildung durch Laien blieb ausdrücklich erlaubt, 
  • die Verordnung war im Bereich der „Fahrschulerlaubnis“ fehlerhaft, weil diese nicht durch das StVG gedeckt war (Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 1. Juni 1965). 

Vor diesem Hintergrund war mit Impulsen oder gar Initiativen der Politik zur Konsolidierung des Fahrlehrerwesens nicht zu rechnen. Die Verbände spürten den darüber entstandenen Unmut ihrer Mitglieder sehr deutlich. Im Frühjahr 1959 nahm ich als junges Mitglied an einer Versammlung der Stuttgarter Fahrlehrer teil. Der Vorsitzende der Bezirksgruppe, Johannes Richter, schloss seine Begrüßung so: „Wir Fahrlehrer kommen in der Politik überhaupt nicht vor, und das müssen wir dringend ändern!“ Dieser Satz blieb bei mir und sicher auch bei vielen anderen haften.

 

Unser Verband, der heute als Fahrlehrerverband Baden-Württemberg e.V. firmiert, tritt seit seiner Gründung für eine angemessene öffentliche Anerkennung der Leistungen der Fahrschulen für sicheres, aggressionsfreies und partnerschaftliches Verhalten im Straßenverkehr ein.

 

Ohne die Initiativen der Bundesvereinigung der Fahrlehrerverbände e.V. (BVF) und der dieser zugehörigen Landesverbände wäre es, um nur die wichtigsten zu nennen, zu folgenden Rechtssetzungen nicht oder nur viel später gekommen: 

  • das Fahrlehrergesetz von 1969, 
  • die Fahrschüler-Ausbildungsordnung (1976) 
  • das Verbot der Fahrausbildung durch Laien (1976), 
  • die besonderen Ausbildungsfahrten (1976), 
  • der theoretische Pflichtunterricht für Fahrschüler/-innen (1976), 
  • die Ausbildungspflicht für Bewerber um die Fahrlehrerlaubnis (1976), 
  • die Regelungen zur Mofa-Ausbildung (Mofa-Verordnung von 1985), 
  • Fahrausbildung von Soldaten in zivilen Fahrschulen: ein erfolgreicher Modellversuch (1990/91), der das Quantum der Ausbildung des Fahrlehrernachwuchses durch die Bundeswehr erfolgreich in Frage stellte, 
  • Fahrlehreranwärter-Befugnis – Ausbildungsfahrschule 1998, 
  • das Begleitete Fahren (bundeseinheitlich 2005), 
  • die Reform des Fahrlehrerrechts von 2017. 

Der gestraffte Rückblick aus Anlass von 75 Jahren Fahrlehrerverband Baden-Württemberg e.V. verdeutlicht einmal mehr die Bedeutung des Verbandswesens der Fahrlehrer/-innen. Die Konsolidierung unseres Berufsstandes ist noch nicht abgeschlossen: Das Ticket für den Zutritt zum Kreis der anerkannten pädagogischen Berufe wurde ihm, nicht zuletzt infolge des Mangels adäquater gesetzlicher Voraussetzungen zur Vorbildung, noch nicht zuerkannt. Daran weiterhin zu arbeiten, lohnt sich. Auch hierfür wäre ein Warten auf Initiativen der Politik vergebens. Proaktives Handeln der Verbände gegenüber der Öffentlichkeit und der Politik ist der richtige Weg. Also, loslegen und dranbleiben!

 

 


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