26.11.2025© FahrSchulPraxis - Entnommen aus Ausgabe November 2025, Seite 578

Fahrausbildung für Menschen mit Paraplegie

Die Mobilität besitzt für Menschen mit körperlicher Behinderung einen hohen Stellenwert. Besonders bei Paraplegie – einer Querschnittslähmung der unteren Extremitäten infolge einer Rückenmarksschädigung – ist das Autofahren ein zentraler Faktor für Selbstständigkeit und gesellschaftliche Teilhabe. Damit der Weg zur Fahrerlaubnis erfolgreich verläuft, bedarf es einer differenzierten medizinischen Beurteilung, angepasster Fahrzeugtechnik und einer individuell zugeschnittenen Fahrausbildung.

 

Medizinische Grundlagen

Unter Paraplegie versteht man eine Lähmung der Beine aufgrund einer Schädigung des Rückenmarks unterhalb der Brustwirbelsäule. Häufige Ursachen sind Traumata, Tumorerkrankungen oder angeborene Fehlbildungen.

Eine besondere Form stellt die Spina Bifida dar – eine angeborene Fehlbildung, bei der sich der Wirbelkanal nicht vollständig schließt. Oft tritt sie in Verbindung mit einem Hydrocephalus auf, der über ein Ventilsystem zur Regulation des Hirndrucks behandelt wird.

Darüber hinaus können querschnittähnliche Lähmungserscheinungen auch zerebrale Ursachen haben, etwa infolge einer Sauerstoffunterversorgung vor oder während der Geburt. In diesen Fällen spricht man von einer infantilen Cerebralparese (ICP).

 

Medizinische Begutachtung im Rahmen der Fahrerlaubnis

Die Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen setzt eine differenzierte medizinische Bewertung voraus. Dabei wird zwischen zwei Hauptgruppen unterschieden:

  • reine Paraplegie ohne zerebrale Beteiligung: Hier genügt in der Regel ein orthopädisches Gutachten eines Facharztes mit verkehrsmedizinischer Qualifikation.
  • Paraplegie mit zerebraler Beteiligung (z.B. ICP, Spina Bifida): In diesen Fällen ist ein umfassendes neurologisches Gutachten erforderlich. Nur so lässt sich die Fahreignung unter Berücksichtigung motorischer, koordinativer und kognitiver Aspekte verlässlich beurteilen.

Besonderheiten in der Fahrausbildung

Die Fahrausbildung unterscheidet sich wesentlich in Abhängigkeit von der Art und Entstehung der Paraplegie.

  • Paraplegie seit Geburt: Personen, die seit Geburt querschnittsgelähmt sind, verfügen häufig über keine oder nur geringe Verkehrserfahrung. Das führt zu einem erhöhten Bedarf an praktischer Übung und einer längeren Ausbildungsdauer. Bei ICP oder Spina Bifida können zusätzlich koordinative und kognitive Einschränkungen auftreten, die eine intensive pädagogische Begleitung erforderlich machen. Mehr als 100 Fahrstunden sind keine Seltenheit.
  • Erworbene Paraplegie: Bei einer im späteren Leben erworbenen Querschnittslähmung – etwa nach einem Unfall – verläuft die Fahrausbildung in der Regel unproblematisch, sofern keine begleitenden zerebralen Schädigungen vorliegen. Treten jedoch zusätzliche Beeinträchtigungen wie Schädel-Hirn-Trauma oder Meningitis auf, erhöht sich der Ausbildungsaufwand deutlich.

Rolle der Fahrlehrer/-innen

Die Arbeit mit paraplegischen Fahrschülerinnen und Fahrschülern erfordert neben technischer Expertise insbesondere Einfühlungsvermögen, Geduld und Erfahrung. Bei komplexen neurologischen Krankheitsbildern ist eine enge Zusammenarbeit zwischen Fahrlehrer, Arzt und ggf. Ergotherapeut besonders wichtig.

 

Fahrzeugtechnische Anpassungen

Um die Fahreignung sicherzustellen, werden Fahrzeuge individuell auf die motorischen Fähigkeiten der Fahrerin bzw. des Fahrers angepasst. Häufige Modifikationen sind:

  • Handbediengeräte für Gas- und Bremse (oft kombiniert mit Sekundärfunktionen wie Blinker oder Hupe),
  • Automatikgetriebe,
  • Handbetätigung der Feststellbremse,
  • Pedalabdeckungen für Gas- u. Bremspedale.

Diese Anpassungen ermöglichen eine sichere und selbstständige Fahrzeugführung – vorausgesetzt, sie werden in enger Abstimmung mit Fachbetrieben und Medizinern ausgewählt und erprobt.

 

Fazit

Die Fahrausbildung von Menschen mit Paraplegie erfordert eine ganzheitliche Betrachtung aus medizinischer, technischer und pädagogischer Perspektive. Während reine Rückenmarksschädigungen bei geeigneten Fahrzeuganpassungen meist gut kompensierbar sind, führen zerebrale Begleiterscheinungen wie bei ICP oder Spina Bifida zu einem deutlich erhöhten Schulungsbedarf.

Entscheidend für den Erfolg sind eine präzise medizinische Begutachtung, eine angepasste Ausbildungsmethodik sowie das Fachwissen und die Sensibilität der Fahrlehrer/-innen. Nur so kann individuelle Mobilität als Beitrag zur Inklusion nachhaltig gefördert werden.

 

Bernd Zawatzky

 


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